Im Kino läuft ein Film über die verschiedenen Absorptionswege und ihre Effekte. Begleiten Sie uns auf dem roten Teppich – And the Oscar goes to …
‚Du bist, was du isst‘ – schon eine etwas vereinfachte Art und Weise seinen Körper auf die letzte Mahlzeit zu reduzieren. Die Wahrheit liegt jedoch nicht weit entfernt. Denn eine gesunde Ernährung geht meist Hand in Hand mit einem zufriedenen Körper. Doch über welche Wege nimmt der menschliche Körper eigentlich Nahrungsmittel in seinen Kreislauf auf? Ohne sich medizinisch im kleinsten Detail zu verlieren, werfen wir nun einen Blick auf den Prozess der Nahrungsaufnahme. Bühne frei:
In diesem Stück spielen zwei Faktoren eine Hauptrolle. Einerseits die Aufspaltung und Zersetzung der Nahrung (= Verdauung) sowie andererseits die Aufnahme der Substanzen aus dem Magen-Darm-Trakt (= Absorption oder Resorption). Der Film über den Nahrungsprozess beginnt aber nicht wie viele denken im Mund, sondern schon im Gehirn. Bereits der Blick auf den Teller oder der Duft nach leckerem Essen, selbst ein Gedanke veranlasst unseren Körper sich, wie in einem Vorspann, auf die Nahrungsaufnahme vorzubereiten. Erinnern wir uns an den Pavlov’schen Hund, der selbst durch akustische Geräusche konditioniert wurde – der Bauch fängt an zu knurren und Speichel läuft einem im Mund zusammen. Das geschieht, da unser Nervensystem mit Hilfe des Parasympathikus, dem sogenannten „Ruhenerv“ des Körpers, die Sekretion von Verdauungssäften und die Peristaltik, also die Muskeltätigkeit im Verdauungstrakt, ankurbelt. In Kombination fungiert es wie ein Mixer, der mit Hilfe der Enzyme und der aktiven Bewegung die Nahrung bis in ihr kleinstes Bestandteil zerlegt. Zusätzlich befinden sich vor allem im Dickdarm Bakterien, die sogenannten Darmflora, welche in einer Symbiose (Zusammenleben zum gegenseitigen Nutzen) wie in einer Wohngemeinschaft mit den Menschen leben. Diese helfen die letzten Nahrungsstückchen in Einzelteile zu zerlegen und Vitamine zu bilden. Die Verdauung ist somit so gut wie abgeschlossen.
Erst dann folgt der eigentliche Schritt der Absorption. Doch wie in jedem guten Film gibt es neben dem Protagonisten auch Antagonisten, welche einen negativen Einfluss auf die Resorption über den Darm ausüben. Diese Bösewichte legen durch physikalisch-chemische Eigenschaften sowie physiologisch-anatomischen Faktoren der Absorption große Steine in den Weg. Beispielsweise beeinflussen der pH-Wert, also der saure oder basische Charakter einer Substanz, die Passagezeit sowie die Oberfläche im Magen-Darm-Trakt die Absorptionsfähigkeit einer Substanz. Wegen seiner kleinen Resorptionsfläche und der sauren pH-Verhältnisse spielt der Magen daher eine geringe Rolle in unserem Film. Den Hauptspielort der Resorption hingegen bildet der Dünndarm aufgrund seiner riesigen Oberfläche, die mit einer Größe von zirka 200 m2 der eines Tennisplatzes gleicht. Diese Dimension erreicht er mit Hilfe von Darmzotten, die als fingerförmige Erhebungen der Dünndarmschleimhaut aufsitzen. Durch den Verdauungsprozess und der biochemischen Zersetzung bilden sich teilweise giftige Stoffe, die nicht in den großen Blutkreislauf gelangen dürfen, aber dennoch mitresorbiert werden. Jedoch hat sich der menschliche Körper auch für dieses Problem eine Lösung ausgedacht. Wie ein Deus ex Machina taucht nun die Leber als das wichtigstes Entgiftungsorgan in unserer Geschichte auf. Das Blut des Magen-Darm-Traktes führt über die Pfortader direkt zur Leber die als Türsteher den großen Blutkreislauf bewacht. Dort werden giftige Stoffe unschädlich gemacht, weitere Stoffwechselschritte durchgeführt und die Gallenflüssigkeit produziert. In der Pharmazie macht man sich die Funktion der Leber bei oraler Applikation (über den Mund) eines Medikaments zunutze, die man unter den Begriff des „First-Pass-Effekts“ zusammenfasst. Darunter versteht man die Metabolisierung beziehungsweise Verstoffwechselung des Wirkstoffes eines Medikaments nach erster Leberpassage, der aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert wurde. Einerseits kann das Molekül durch Umwandlung in einen unwirksamen Metaboliten eliminiert werden. Andererseits kann auch gegenteilig der Stoff durch metabolische Schritte in eine aktive beziehungsweise aktivere Form umgewandelt werden; man spricht daher von einem sogenannten Prodrug. Dieses Phänomen ist selbstverständlich von der Leberfunktion und der chemischen Eigenschaft des Arzneimittels abhängig.

Manche Moleküle werden jedoch präsystemisch von der Leber nahezu vollständig eliminiert. In diesem Fall macht uns die Leber einen Strich durch die Rechnung. Fast wie eine leere Popcorntüte, obwohl der Film noch gar nicht zu Ende ist. Doch zum Glück gibt es immer einen Plan B, wie zum Beispiel die volle Popcornpackung des Nachbarn, wo man sich bedienen darf. So versucht man auch bei diesen Stoffen den First-Pass-Effekt zu umgehen, um eine direkte systemische Verteilung des Moleküls zu erreichen. Dabei verwendet man andere Applikationsformen also Aufnahmewege, die am Darm vorbeiführen (= parenteral), oder die sublinugale/bukkale und rektale Applikation. Bei einer parenteralen Absorption wird beispielsweise durch Injektion einer Spritze in das venöse Blut oder einen Muskel der Darm als Resorptionsort umgangen. Unter einer sublingualen beziehungsweise bukkalen Applikation wird die Resorption aus der Mundhöhle verstanden. Hier findet eine rasche Aufnahme vor allem fettlösliche Wirkstoffe, aufgrund der guten Gefäßversorgung und der starken Durchblutung der Mundschleimhaut, statt. Also keine Sorge – die salzigen Popcorn wandern selbstverständlich in den Magen, wo sie hingehören und werden nicht über den Mund resorbiert. Über die lokalen Venen gelangt der Wirkstoff aus dem Mund über die obere Hohlvene direkt zum Herz und in den systemischen Kreislauf. Für Säuglinge oder Kleinkinder, bei denen die orale Verabreichung häufig schwierig ist, eignet sich als Alternative die rektale Gabe eines Zäpfchens. Die meisten rektalen Venen führen zur unteren Hohlvene, die an der Leber vorbei zum Herz zieht. Somit wird erreicht, dass weniger Moleküle abgebaut werden und dadurch besser im Körper verfügbar sind.

Täglich werden etliche Nahrungsstoffe in unserem Körper verdaut. Erst nach Absorption können die lebenswichtigen Moleküle mit Hilfe des Blutkreislaufes verteilt werden. An unterschiedlichsten Orten werden sie für essenzielle Prozesse verwendet, die unserem Körper aufbauen, unterstützen und kräftigen. Die roten Vorhänge schließen sich langsam vor der Leinwand und der Film über die Aufnahme von Substanzen in den menschlichen Körper ist zu Ende. Beeindruckt von der erstaunlichen Leistung unseres Körpers bleibt uns nichts anderes übrig als ihn dafür zu belohnen: Und der Oscar für den besten Hauptdarsteller geht an … ihr wisst es nun!