Taurin, eine Aminosäure, die einige als Zutat in Energy-Drinks kennen, hat in einer Studie aus dem Magazin Science das Leben von gesunden Mäusen um etwa 10 Prozent verlängert. Kann Taurin ein neues „Wundermittel“ in der Longevity Szene werden, oder werden diese Ergebnisse voreilig angepriesen?
Was ist Taurin?
Taurin gehört zur Gruppe der Aminosäuren. Unser Körper benutzt 20 verschiedene Aminosäuren, um Proteine zu bauen. Sie sind die Bausteine, aus denen wir Enzyme, Muskelproteine und viele andere Stoffe bauen. Neun der 20 Aminosäuren werden als essenziell bezeichnet. Das bedeutet, wir müssen diese mit der Nahrung aufnehmen, weil sie unser Körper nicht selbst produzieren kann. Zu diesen essenziellen Aminosäuren gehört beispielsweise Methionin.
Taurin gehört nicht zu den 20 Aminosäuren, die wir als „Bausteine“ für unsere Proteine benötigen – dennoch finden wir das Molekül in verschiedenen Bereichen unseres Körpers. Es ist in großen Mengen in unserer Netzhaut, der Retina enthalten. Außerdem findet man die Aminosäure im Herzen, im Gehirn und in Muskeln.

Wo kommt das Molekül vor?
Die meisten werden Taurin aufgrund des aufputschenden bzw. energiesteigernden Effekts als Zutat in Energy-Drinks kennen. Daneben findet man Taurin in vielen tierischen Produkten, von Fleisch, über Fisch, Käse bis hin zu Eiern. In pflanzlichen Lebensmitteln findet man hingegen nur geringe Mengen.
Obwohl Taurin in vielen Energy-Drinks gerne als „Energy-Booster“ beworben wird, so ist Taurin kein direktes Stimulans, wie beispielsweise Coffein.
Vielmehr wirkt es über die Modulation von Neurotransmittern, wie Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) oder über die Stabilisation von Zellmembranen des Herzens auf unsere Physiologie. Im Zusammenspiel mit Coffein und dem Zucker in Energy Drinks können dadurch (zu) starke, aufputschende Zustände erreicht werden.
Wenn wir Taurin nicht mit der Nahrung aufnehmen, dann hat unser Körper die Möglichkeit Taurin selbst herzustellen. Dies geschieht hauptsächlich in der Leber und ist ein mehrstufiges Verfahren, an dessen Anfang die essenzielle Aminosäure Methionin steht. Besitzen wir also nicht genug Methionin, können wir auch kein Taurin herstellen. Überschüssiges Taurin scheiden wir über die Nieren und den Urin wieder aus.
Taurin in der Forschung – welchen Effekt hat die Aminosäure in unserem Körper?
Die besondere Aminosäure wird schon seit einiger Zeit erforscht. Bisher war bekannt, dass unser Taurin-Level im Blut mit dem Alter sinkt. Mit Sport können wir unseren Blut-Spiegel steigern. Zusammen mit den vielen positiven Studien über Sport, lässt dies vermuten, dass das Molekül eine gewisse Rolle darin spielt.
Außerdem hat man festgestellt, dass es einen umgekehrt proportionalen Zusammenhang zwischen Taurin-Spiegel und Diabetes-Inzidenz, Entzündungen, Leberfunktion und BMI gibt. Dies sind reine Beobachtungen, aber es lässt sich erahnen, dass ausreichend hohe Level für ein gesundes Leben von Vorteil sind.
Weitere Effekte von Taurin in unserem Körper sind:
- Verbesserte Sportperformance: In einer Meta-Analyse konnten die Forscher herausfinden, dass Taurin-Supplementation die Sportperformance verbessern konnte. Für diesen Effekt wahrscheinlich die Reduktion von oxidativem Stress verantwortlich.
- Mentaler Fokus: Über seine modulierende Wirkung auf Neurotransmitter kann das Molekül vermutlich den mentalen Fokus erhöhen.
- Wasserhaushalt: Taurin wirkt osmolytisch, das heißt es bindet Wasser. Es kann darüber zu einer verbesserten Zellhydration beitragen. Dies brauchst du unter anderem beim Sport, um Höchstleistungen zu erbringen
Katzen können Taurin nicht selbst herstellen. Sie sind auf eine entsprechend angereicherte Nahrung angewiesen. Aus diesem Grund enthält Katzenfutter immer eine gewisse Menge an Taurin. Mäuse hingegen haben im Vergleich zu Menschen eine größere Kapazität Taurin selbst herzustellen. Sie sind deshalb nicht so stark auf die Aminosäure aus der Nahrung angewiesen.

Taurin und seine lebensverlängernde Wirkung bei Tieren
Die Studie aus dem renommierten Journal Science, untersuchte zwei Populationen von Mäusen. Die eine Gruppe bekam Taurin zusätzlich ins Futter gemischt, während die andere Gruppe normales Futter bekam. Zwischen den Gruppen zeigte sich ein signifikanter Unterschied in der Lebenszeit der Mäuse.
Noch spannender war, dass die Mäuse auch deutlich gesünder waren. Sie wiesen stärkere Knochen, Muskeln und ein stärkeres Immunsystem auf. Sie waren dünner, hatten bessere Leber- und Pankreasfunktion und mehr Energie als die Vergleichsgruppe. Auch in kognitiven Tests schnitten sie besser ab.
Neben der Studie an Mäusen, konnte auch schon in Affen die lebensverlängernde Wirkung von Taurin bewiesen werden. Die Forscher vermuten anhand ihrer Ergebnisse, dass sich das Molekül positiv auf mehrere der Hallmarks of Aging auswirkt. So reduzierte Taurin die zelluläre Seneszenz, schützte vor dem übermäßigen Abbau der Telomere und reduzierte Entzündungsprozesse.
Wenn du mehr über die verschiedenen Hallmarks of Aging lesen willst, dann informier dich hier in unserem Magazin. Wir haben in mehreren Artikeln die verschiedenen Hallmarks of Aging genauer unter die Lupe genommen.
Ein weiteres, hochinteressantes Molekül, welches derzeit intensiv für seine lebensverlängernde Wirkung erforscht wird, ist Alphaketoglutarat.
Hier existieren bereits Studien an Menschen. In einer dieser Studien testeten Demidenko et al. die tägliche Einnahme von Alphaketoglutarat und maßen mit Hilfe einer DNA-Methylierung Testung die molekulare Verjüngung der Probanden. Auffallend war, dass alle Probanden messbar jünger wurden. Im Schnitt konnten die Probanden ihr molekulares Alter um 7 Jahre verjüngen!
Willst du mehr über Alphaketoglutarat wissen? Dann schau dir doch unseren Artikel im Magazin an.
Supplementation im Menschen – sinnvoll oder sinnlos?
Derzeit fehlen noch Studien und Daten zu möglichen Effekten einer Taurin-Nahrungsergänzung in Menschen. Relativ sicher kann man sagen, dass das Molekül für körperliche aktive Personen ein sinnvolles Nahrungsergänzungsmittel ist, wenn sie ihre sportliche Performance steigern möchten. Aufpassen sollte man aber auf die Interaktionen mit Coffein und anderen Stimulantien.
Bezüglich möglicher Effekte auf die Langlebigkeit sind zwangsläufig weitere Studien notwendig. Eine der Fragen ist, warum unsere Taurin-Spiegel im Alter niedriger werden und wie wir dagegen vorgehen können. Reicht eine Supplementation aus? Liegt es vielleicht an einer schlechter werdenden Nierenfunktion? Daten von Nierenerkrankten deuten zumindest in diese Richtung hin.
Zudem können wir die Ergebnisse von Mäusen und Affen nicht zu hundert Prozent auf uns Menschen übertragen. Allein schon aufgrund unserer unterschiedlichen Kapazität in der Synthese von Taurin, gibt es noch viel Forschungsbedarf.
Taurin ist also (vorerst) kein „Wundermittel“ für ein langes Leben. Es kann einige, gesundheitsförderliche Effekte haben. Welche das sind und wie sich eine Supplementation auf Menschen auswirkt, bleibt noch zu klären.
Literatur:
- https://www.science.org/doi/10.1126/science.abn9257
- https://link.springer.com/article/10.1007/s00726-021-02956-2
- https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1499-2671(20)30130-1
- https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/19390211.2016.1267059?journalCode=ijds20
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21334852/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK557845/
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