Longevity, Magazin

Anti-Aging und die Horvath clock – Wie alt bin ich wirklich?

Der Begriff Anti-Aging findet sich insbesondere auf Produktbeschreibungen sowie in zahlreichen bunten Hochglanz-Zeitschriften und wird zunehmend als übergeordnete Bezeichnung für Marketingzwecke in der Schönheits- und Gesundheitsbranche verwendet. Exklusive Cremes und Nahrungsergänzungsmittel versprechen nicht selten ewige Jugend und die sofortige Unterbrechung des Alterungsprozesses. Nie wieder Falten, gebrechliche Knochen oder chronische Erkrankungen sollen das Ziel sein. Doch kann das Fortschreiten des Alterns wirklich so leicht ausgetrickst werden und wie lässt sich das biologische Alter wissenschaftlich ermitteln? Die Antworten auf diese spannenden Fragen klären wir in diesem Beitrag.

Nach unserem heutigen Wissensstand ist der Prozess des menschlichen Alterns noch nicht vollumfänglich zu erklären. Jedoch gibt es in diesem Zusammenhang bereits grundlegende Erkenntnisse. Demnach sind insbesondere genetische und epigenetische Faktoren ausschlaggebend für den Alterungsprozess bei Menschen. Einer der bekanntesten Wissenschaftler, der sich auf die Untersuchung des Alterungsprozesses spezialisiert hat, ist der Professor David Sinclair. Der australische Altersforscher und Genetiker der Harvard Universität befasst sich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie der Prozess der körperlichen Alterung verlangsamt werden kann. Er sucht im Rahmen seiner Forschung intensiv nach Mitteln, die den Alterungsprozess verlangsamen, aufhalten oder sogar rückgängig machen können. Die Präparate testet er unter anderem an sich selbst, seiner Ehefrau sowie an seinen drei Hunden. Der 50 Jahre alte Prof. Sinclair äußert häufig, dass er sich eher wie ein 30 Jahre alter Mann fühle und sich somit als deutlich jünger empfinde, als das Lebensalter in seinem Pass besagt. Neben dem chronologischen Alter als reine Zeitangabe gibt es weiterhin das biologische Alter eines Menschen. Dieses Alter ergibt sich aus dem körperlichen und geistigen Entwicklungs- bzw. Verfallzustandes. Demnach kann das biologische Alter durchaus von der reinen Summe der Lebensjahre abweichen.

Eine objektive Methode zur Schätzung des biologischen Alters ist die sogenannte Horvath Clock. Dieses Verfahren wird auch als Epigenetic Clock (epigenetische Uhr) bezeichnet und wurde vom Professor Steve Horvath und seinen Kollegen entwickelt. Der Altersforscher und Genetiker der Universität von Kalifornien nutzt für sein biochemisches Testverfahren zur Ermittlung des menschlichen Alters DNA-Analysen. Im Wesentlichen spielt hier vor allem die DNA-Methylierung eine entscheidende Rolle. Hierbei handelt es sich um chemische Änderungen an den Grundbausteinen der Erbsubstanz einer Zelle. Das Ergebnis der Altersschätzung wird daher auch als DNA-Methylierungsalter bezeichnet. Das Resultat der Altersschätzung durch die DNA-Analysen ist vergleichsweise genau und lässt sich auf wenige Jahre des biologischen Alters präzise genau bestimmen. Für den Test ist eine Speichelprobe ausreichend. Damit hat das nicht-invasive Testverfahren wesentliche Vorteile gegenüber Röntgenaufnahmen oder Blutentnahmen zur Bestimmung des Lebensalters.

Die Grundlage für die im Jahr 2011 vorgestellte Horvarth Clock geht aus der Epigenetik hervor, die anhand von individuellen chemischen und strukturellen Veränderungen am Genom (Erbgut) spezielle Informationen gewinnt. Mit zunehmendem Lebensalter kommt es beispielsweise zu charakteristischen epigenetischen Veränderungen, was Rückschlüsse auf das biologische Alter eines Menschen ermöglicht. Aus diesen Informationen ist es Horvath und seinen Kollegen möglich gewesen, einen speziellen Algorithmus zu entwickeln. Anhand des Algorithmus lässt sich das Alter verschiedener Gewebe derselben Person bestimmen. Daher ist es auch möglich, Gewebe im Körper zu identifizieren, die Hinweise auf ein erhöhtes oder verringertes Alter aufweisen. Des Weiteren konnten Horvath und seine Kollegen aufzeigen, dass das DNA-Methylierungsalter unter anderem die Lebenserwartung vorhersagen kann.

Zur Bestimmung des biologischen Alters gibt es Selbsttests, für die eine Speichelprobe genügt. Solche Tests sind ab 199 Euro im Internet frei erhältlich und bedürfen keiner ärztlichen Überweisung oder Anordnung.

Neben der Horvath Clock sind weitere epigenetische Uhren vorhanden, z. B. PhenoAge oder GrimAge. Beide Testverfahren dienen unter anderem zur Ermittlung und Vorhersage der Lebenserwartung sowie zur Berechnung der verbleibenden Zeit, die bei völliger Gesundheit verlebt werden kann. Zusammenfassend bieten epigenetische Uhren wie die Horvath Clock eine einzigartige Möglichkeit, den Alterungsprozess von Menschen besser zu verstehen und helfen Medizinern und Wissenschaftlern somit weltweit bei der Erforschung des Alterungsprozesses.

Epigenetische Uhren können Aussagen darüber treffen, ob ein Mensch seinem chronologischen Alter voraus ist oder sich noch unter der Summe seiner reinen Lebensjahre befindet. Das Alter und vor allem die Geschwindigkeit des Älterwerdens hängen insbesondere mit den individuellen Lebensgewohnheiten und der persönlichen Lebensführung zusammen. In der Folge wird das Altern durch Faktoren wie Ernährung, körperliche Aktivität oder das soziale Umfeld beeinflusst. Übermäßiger Konsum von schädlichen Genussmitteln wie Alkohol beeinflussen das biologische Alter negativ und gesundheitsfördernde Faktoren wie regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene und gesunde Ernährung wirken sich demnach positiv auf den Alterungsprozess aus. Wissenschaftler gehen nach aktuellem Erkenntnisstand davon aus, dass die Lebenszeit eines Menschen 25 Prozent von den Genen und 75 Prozent von der Lebensführung und dem Lebensstil abhängen. Daher kann das biologische Alter durch eine gesunde Lebensführung auch stark beeinflusst werden.

Epigenetische Uhren können heute bereits helfen, kranke und gesunde Zellen besser zu verstehen, die sich aufgrund des Alters verändert haben. Somit ist es grundsätzlich möglich, das Risiko für bestimmte Alterskrankheiten besser vorherzusagen und abzuschätzen. Die Algorithmen der Testverfahren werden fortlaufend weiterentwickelt und optimiert, um die Genauigkeit der Ergebnisse stetig zu verbessern. Insbesondere in einer alternden Bevölkerung aufgrund des demografischen Wandels werden epigenetische Uhren zunehmend an Bedeutung in der Medizin gewinnen.

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Podcast David Sinclair

 

Ist Altern eine Krankheit?

Podcast UIBK

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