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Was ist Epigenetik?

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Vielleicht hast du im Biologie-Unterricht schon mal was von der Epigenetik gehört, oder du hast die Netflix-Serie über das Zwillingsexperiment gesehen. Wie dem auch sei – der Begriff Epigenetik hat in den letzten Jahren auch außerhalb der wissenschaftlichen Community einiges an Reichweite gewonnen. Es scheint, als gelte nicht mehr das alte Dogma, dass alles in den Genen liegt.

Vielmehr zeigt die Forschung rund um die Epigenetik, dass wir einige Prozesse durch unser Verhalten, unsere Ernährung oder durch Sport beeinflussen können. Wir zeigen dir in diesem Artikel, was die Epigenetik ist, wie die Epigenetik zur Altersforschung beiträgt und was unsere Großeltern damit zu tun haben.

Was ist die Epigenetik?

Bevor wir ins Thema einsteigen, müssen wir die Definition klären: Die Epigenetik erforscht, wie sich über den genetischen Code hinausgehende Veränderungen auswirken – ein Konzept, das in dem Wortteil „epi“, aus dem Altgriechischen für „über“ oder „darauf“, zum Ausdruck kommt. Im Fokus stehen hier nicht Mutationen im eigentlichen Sinne, sondern eher Modifikationen, die bestimmen, wie aktiv bestimmte Gene in unseren Zellen sind.

Ein klassisches Beispiel für solche Modifikationen ist die DNA Methylierung. Dabei wird eine Methylgruppe (CH3) an spezifische Abschnitte der DNA angehängt. Dies kann zur Folge haben, dass bestimmte zelluläre Prozesse unterbunden werden, indem etwa die Produktion von Proteinen gestoppt wird. Die Epigenetik ist z.B. dafür verantwortlich, dass sich eine Muskelzelle von einer Nierenzelle unterscheidet, obwohl beide die exakt gleiche DNA Sequenz enthalten.

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Epigenetik – ein wenig einfacher

Solltest du nicht gerade Biochemie studiert haben, werden dir Begriffe wie Methylierungen, Chromatin oder nicht codierende RNA nicht wirklich etwas sagen. Keine Sorge, wir erklären dir die Epigenetik etwas anschaulicher und versuchen mit dieser Analogie, die komplizierteren Mechanismen dahinter verständlich zu machen:

Zunächst einmal müssen wir genauer in die Zellen blicken. Jede unserer Zellen besitzt den gleichen Strang DNA, unser Erbgut. Auf diesem sind alle Informationen enthalten, z.B. wie eine Herzmuskelzelle aufgebaut ist, welche Proteine sie enthält oder welche Enzyme eine Magenzelle enthalten muss, damit sie Magensäure produzieren kann und viele mehr. Würden all diese Informationen gleichzeitig „abgelesen“ werden, gäbe es ein riesiges Chaos. Aus diesem Grund ist unsere DNA voller chemischer Strukturen, die wie die Schalter eines Lautstärkereglers Abschnitte „an“ oder „aus“ schalten können.

Wie „laut“ sind deine Gene?

Stell dir vor, dass jedes Gen auf deiner DNA einen solchen Lautstärkeregler besitzt. Mit Hilfe dieses Lautstärkereglers kann deine Epigenetik gewisse Bereiche „laut“ stellen, so dass das Gen aktiv ist oder andere Bereiche auf „leise“ stellen, was dieses Gen inaktiv macht. Diese Feinjustierung wird durch Methylierungen vorgenommen. Diese kleinen Kohlenwasserstoffgruppen bestimmen, wie „laut“ oder wie „leise“ gewisse Abschnitte der DNA in unserem Erbgut sind.

Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten Histonmodifikationen. Bei den Histonen handelt es sich um Strukturproteine, um die herum die DNA aufgewickelt ist. Ganz ähnlich einem Lockenwickler. Auch diese Proteine werden von der Epigenetik beeinflusst. Sind diese modifiziert, können ganze Abschnitte der DNA schwieriger entwunden und damit abgelesen werden. Große Teile bleiben also „stumm“ (inaktiv).

Wie wird die Epigenetik beeinflusst?

Diese epigenetischen Veränderungen werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst, wie Umwelt, Ernährung, Stress und Lebensstil. Manche dieser „Lautstärke-Einstellungen“ können sogar an zukünftige Generationen weitergegeben werden, was bedeutet, dass die Erfahrungen und Bedingungen deiner Vorfahren Einfluss auf dein Leben haben könnte und zwar darauf, welche Gene in deinem Körper leichter bzw. schwerer zugänglich sind. Die Epigenetik sorgt also dafür, dass trotz unveränderlicher genetischer Informationen die Zugänglichkeit und Nutzung dieser Informationen dynamisch und anpassungsfähig gestaltet werden kann.

Dies erklärt, wie identische DNA in unterschiedlichen Zelltypen zu so vielfältigen Funktionen und Merkmalen führen kann. Das erklärt aber auch, warum eineiige Zwillinge, die exakt die gleiche DNA aufweisen, unterschiedliche Merkmale aufweisen. Die genauen Einstellungen deiner „Lautstärkeregler“ sind individuell und können sich stetig ändern. Dies versteht man unter dem Begriff epigenetisches Muster. Zu Nutze kann man sich dies machen, wenn man das epigenetische, bzw. biologische Alter messen will.

DNA und Epigenetik – was wird vererbt?

Jede einzelne Zelle besteht aus 46 Chromosomen. Hier ist die Erbinformation in Form der DNA gespeichert. Die Chromosomen sind in Paaren angeordnet, sodass wir 23 Chromosomenpaare in jeder Zelle haben. 50 Prozent der Chromosomen erhalten wir von unserer Mutter und die anderen 50 Prozent von unserem biologischen Vater.

Faktor-V-Leiden: Eine der häufigsten genetischen Erkrankungen

Stell dir vor, eines deiner Gene zu einem bestimmten Thema (in diesem Fall Faktor V), ist defekt. Dieses defekte Gen kommt von deinem Vater, aber glücklicherweise hat dir deine Mutter noch ein ganzes Exemplar vererbt. Du hast also zwei Gene zu dem Thema, aber eines davon ist defekt. In der Medizin spricht man in diesem Zusammenhang von einer heterozygoten Ausprägung.

Diese spezifische Ausprägung, ein defektes Gen für den Faktor V und ein gesundes, ist eine der häufigsten „genetischen Krankheiten“ in Europa. In etwa jeder 20. besitzt ein defektes Gen für den Faktor V, was zu einem höheren Risiko für Thrombosen führt. Sind beide Gene defekt, würde man von einer homozygoten Ausprägung sprechen.

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DNA und Epigenetik – was wird vererbt?

Das Beispiel mit dem defekten Faktor V Gen ist ein typisches für eine erbliche Erkrankung. Die Epigenetik spielt in diesem Fall keine Rolle, da die tieferliegende Information bezüglich des Gens defekt ist. Lange Zeit hat man geglaubt, dass wir nur die Gene von unseren Eltern erben und die Epigenetik (also die Lautstärkereinstellung) erst später erwerben. Nach aktueller Forschung ist das nicht korrekt. Erben wir also auch einige Voreinstellungen der Lautstärkeregler von unseren Eltern?

Kann Trauma vererbt werden?

Die Augenfarbe von der Mutter, die Haare vom Vater und das psychologische Trauma von den Großeltern? Obwohl diese Aussage recht gewagt ist, gibt es immer mehr Hinweise, dass wir nicht nur die DNA von unseren Eltern erben, sondern auch epigenetische Muster und Prägungen – und das auch über mehrere Generationen.

Um bei unserer Analogie zu bleiben: Früher hat man angenommen, dass die Einstellungen der Lautstärkeregler nicht vererbbar seien. Die Unterschiede in der DNA Methylierung würden erst später im Leben erworben werden. Diese Annahme scheint nicht zu stimmen. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut konnten in dieser Studie an Fruchtfliegen zeigen, dass epigenetische Muster von Generation zu Generation weitergegeben werden können.

Die Vermutung liegt nahe, dass dies auch bei Menschen der Fall ist und vielleicht können aus diesen Erkenntnissen in der Zukunft neue Therapien entwickelt werden.

Kann Übergewicht vererbt werden?

Nachdem wir schon gesehen haben, dass bei Fruchtfliegen gewisse epigenetische Muster über mehrere Generationen vererbt werden können, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das haben kann. Zum einen wird vermutet, dass traumatische Erlebnisse epigenetische Veränderungen verursachen können, die ebenfalls vererbt werden und sich in späteren Generationen zeigen. Einen interessanten Beitrag findest du z. B. in dieser ZDF Terra-Xplore-Dokumentation.

Eine andere Frage ist, ob übergewichtige Eltern ihre epigenetischen Muster an ihre Kinder übertragen und sie somit anfälliger für Übergewicht machen. Auch hier fehlen noch direkte Beweise, aber es gibt durchaus Hinweise, dass dies möglich ist. Bei Ratten konnte in einer Untersuchung z. B. festgestellt werden, dass die Exposition mit einem Pestizid (DDT = Dichlorodiphenyltrichloroethan) bei den nachfolgenden Generationen zu einer 50-prozentigen Inzidenz von Übergewicht führte.

Dies zeigt, dass Umweltfaktoren die Macht haben, epigenetische Muster zu ändern und darüber hinaus in den Nachfolgegenerationen Übergewicht zu begünstigen. Auch beim Menschen gibt es Hinweise, dass die Anfälligkeit für Übergewicht teilweise vererbbar ist.

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Epigenetik und das biologische Alter

Jeder von uns weist ganz eigene epigenetische Muster auf und doch haben wir auch Gemeinsamkeiten. Einer der ersten, der dies erkannt hat, ist Steve Horvath. Er hat sich mit der Frage beschäftigt, wie man das biologische Alter messen kann, und bedient sich dabei der Epigenetik. Der Forscher entwickelte die nach ihm benannte Horvath Clock, mit der man das biologische Alter von Zellen sehr akkurat messen kann.

Im Laufe unseres Lebens sammeln sich nämlich typische Markierungen auf unserer DNA an. Die Stellen sind charakteristisch und für jeden Menschen gleich. Auf dieser Grundlage wurde der erste epigenetische Alterstest entwickelt.

Der Schlüssel zur Langlebigkeit?

Die Entdeckung der Horvath Clock war so bahnbrechend, dass er 2017 den Nobelpreis dafür bekommen hat. Zum ersten Mal konnte man messen, welchen Einfluss verschiedene Parameter auf unsere Zellgesundheit und das Alter haben. Zusammen mit den Hallmarks of Aging war die Grundlage für die epigenetische Altersforschung geschaffen. Wenn wir es schaffen, die epigenetischen Marker umzukehren, können wir das Altern vielleicht verlangsamen oder sogar aufhalten.

Forscher wie der Harvard-Professor David Sinclair oder der amerikanische Millionär Bryan Johnson sind bereits einen Schritt weiter und haben (teilweise an sich selbst) einige Moleküle zur Altersreduktion ausprobiert. Beide weisen ein deutlich jüngeres biologisches Alter auf, und beinahe täglich erscheinen neue Studien zu dem Thema. So konnte in einer Studie bei Menschen das biologische Alter um eindrucksvolle 8 Jahre gesenkt werden.

Das Geheimnis? In der Studie nahmen die Probanden Alpha-Ketoglutarat, ein Molekül aus dem Energiestoffwechsel, ein. Wenn du mehr darüber erfahren willst, dann kannst du die Hintergründe in unserem Artikel über Alpha-Ketoglutarat erfahren. Weitere spannende Forschung wird im Bereich NAD-Stoffwechsel betrieben. Auch die Sirtuine, Spitzname „Langlebigkeitsgene“, sind ein zentrales Thema.

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Proteomik – der nächste Schritt?

DNA, Epigenetik, Langlebigkeitsgene – die Altersforschung ist durchaus komplex. Irgendwo in diesem verzwickten Netzwerk aus Stoffwechselwegen wird sich die Erklärung für Krankheiten oder das Altern an sich verstecken. Um noch eine weitere Ebene hinzuzufügen, möchten wir dir die Proteomik vorstellen, denn ohne dieses Forschungsfeld wird unser Bild nicht komplett.

Um dir die Proteomik näher zu bringen, müssen wir eine neue Analogie einführen. Die Zelle als Kleiderschrank. Während die Epigenetik mit ihren Lautstärkereglern bestimmt, welche Gene aktiv sind und welche inaktiv, schaut sich die Proteomik das Ergebnis an. Welche Proteine (Kleidungsstücke) befinden sich in deiner Zelle (Kleiderschrank)?

Wir können sehen, was mit den Proteinen nach ihrer Translation passiert und wie sie miteinander interagieren. Mehr dazu findest du in unserem Artikel über die Proteomik.

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Literatur

  • Gjaltema, Rutger A F, and Marianne G Rots. “Advances of epigenetic editing.” Current opinion in chemical biology vol. 57 (2020): 75-81. Link
  • King, Stephanie E, and Michael K Skinner. “Epigenetic Transgenerational Inheritance of Obesity Susceptibility.” Trends in endocrinology and metabolism: TEM vol. 31,7 (2020): 478-494. Link
  • Ceribelli, Angela, and Carlo Selmi. “Epigenetic Methods and Twin Studies.” Advances in experimental medicine and biology vol. 1253 (2020): 95-104. Link
  • Sapienza, Carmen, and Jean-Pierre Issa. “Diet, Nutrition, and Cancer Epigenetics.” Annual review of nutrition vol. 36 (2016): 665-81. Link
  • de Lima Camillo, Lucas Paulo, and Robert B A Quinlan. “A ride through the epigenetic landscape: aging reversal by reprogramming.” GeroScience vol. 43,2 (2021): 463-485. Link
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  • Fides Zenk et al.“Germ line–inherited H3K27me3 restricts enhancer function during maternal-to-zygotic transition.” Science357,212-216(2017). Link

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