NAD ist die Kurzform von Nikotinamid Adenin Dinukleotid. Das Molekül besteht sinngemäß aus zwei Mononukleotiden, die über eine chemische Bindung miteinander verbunden sind. Analog dazu, werden wir die Frage ‚Was ist NAD?‘ in zwei Teilen beantworten und dabei durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Moleküls reisen.
Es handelt sich bei bei dem Molekül um ein Coenzym, welches man in fast jeder Zelle eines Organismus findet. Ein Coenzym ist ein kleines organisches Molekül, wie beispielsweise auch Vitamine, das mit einem Enzym zusammenarbeitet, um eine chemische Reaktion in Gang zu bringen – ähnlich der Steuerung eines Flugzeugs, die ein Pilot zwar theoretisch allein übernehmen kann, ein zusätzlicher Co-Pilot aber wichtige Unterstützung leistet. Diese Teamleistung in unserem Körper befähigt Moleküle wie NAD die Wirkung von Enzymen mitzubestimmen.
NAD wird einer Studie zufolge für über 500 dieser enzymatischen Reaktionen im Organismus benötigt. Da ist es erstmal naheliegend, dass der gefragte Co-Pilot eine wichtige Rolle in einer Reihe von biologischen Prozessen spielt. Welche biologischen Prozesse? Bevor wir uns mit der Gegenwart beschäftigen, machen wir einen kurzen Abstecher in die Vergangenheit.
Rückblick
Das Molekül wurde erstmals 1906 von den beiden Wissenschaftlern Arthur Harden und William Young im Rahmen der alkoholischen Gärung beschrieben. Interessanterweise spielt NAD sowohl bei der Herstellung von Alkohol als auch beim Abbau davon eine Rolle. Drei Jahrzehnte später demonstrierte Otto Warburg erfolgreich, dass NAD eine Rolle bei Redox-Reaktionen im Körper spielt. Redox steht ausgeschrieben für Reduktion-Oxidation und beschreibt einen Typ chemischer Reaktionen, bei dem ein Reaktionspartner Elektronen (negative Ladungen) an einen anderen Reaktionspartner abgibt. Diese Art des chemischen Tauschhandels spielt bei Verbrennungs- und Stoffwechselvorgängen, bei Nachweisreaktionen von bestimmten Stoffen und in der technischen Produktion eine große Rolle. Margarine, Pyrotechnik oder Düngemittel auf Ammoniakbasis wurden beispielsweise erst durch die Redox-Reaktion Realität.
In den 60er Jahren glaubte man dann bereits alles über NAD und seine Funktionen zu wissen, als eine neue Entdeckung Wellen schlug. Das Molekül spielt bei der PARylation, einem DNA-Reparaturprozess, eine Rolle. PARPs sind Enzyme, die NAD als Cofaktor benötigen. Diese Kenntnis verlieh der Forschung neuen Schwung. Der Grund für die heutige Popularität des Moleküls in Wissenschaftskreisen ist das aber nicht, sondern eine sieben-köpfige Genfamilie namens Sirtuine (SIRT1-7). Sirtuine sind multifunktionale Enzyme, die beinahe alle Zellfunktionen regulieren können und NAD+ benötigen um zu funktionieren. Die Wissenschaft verpasste den Sirtuinen ob des blühenden Optimismus rund um ihre Rolle in der rezenten Langlebigkeitsforschung kurzerhand die Bezeichnung Langlebigkeitsgene.
NAD, NAD+ & NADH – who is who?
Diese drei Begriffe werden einmal nebeneinander und dann wiederum nur isoliert in wissenschaftlichen Abhandlungen verwendet. Am häufigsten ist die Bezeichnung NAD für NAD+ oder umgekehrt. Die Abgrenzung zu den jeweils anderen Molekülen fällt dabei oftmals etwas undurchsichtig aus. Das klingt nach Klärungsbedarf, dem wir jetzt nachkommen.
Zur Begriffsklärung trug die Entdeckung von Otto Warburg rund um NAD und seine Redox-Eigenschaften maßgeblich bei. Er war derjenige, der NAD als „chemisches Rückgrat unabhängig von der Ladung“ definierte. NAD+ ist demnach die oxidierte Form (kann Elektronen aufnehmen) und NADH die reduzierte Form (kann Elektronen abgeben) von NAD. In der Zusammenschau bezeichnet die Chemie NAD+/NADH als sogenanntes Redox-Paar. Die Harmonie dieser Beziehung ist immanent für die Energiegewinnung im menschlichen Körper. NADH gibt im Mitochondrium, dem Kraftwerk der Zelle, Elektronen an die Atmungskette ab und ermöglicht dadurch die Herstellung des universellen Energieträgers von uns Menschen: Adenosintriphosphat (ATP). Übrig bleibt dann NAD+ und dessen Bereitschaft Elektronen wieder aufzunehmen.
Die IUPAC, eine bestimmende Institution, wenn es um Nomenklatur und Begriffsbestimmungen in der Chemie geht, orientiert sich weitgehend an den von Warburg vorgeschlagenen Definitionen. NAD ist dabei ein allgemeiner Begriff zur Beschreibung des Redoxpaares und seiner Reaktionen. Aus dem Grund verwenden wir bisher und auch im weiteren Verlauf die Bezeichnung NAD.
NAD-Stoffwechsel
Die NAD-Menge mag zwar über einen bestimmten Zeitraum hinweg konstant messbar sein, tatsächlich wird das Molekül in Zellen aber ständig neu zusammengesetzt, abgebaut oder recycelt. Im Durchschnitt belaufen sich die Vorkommen einer Person auf etwa drei Gramm.
NAD liegt im Körper in zwei „Zuständen“ vor – entweder als freies Molekül oder an Proteine gebunden. Das Verhältnis zueinander bezeichnet man als Ratio, die in Zellen und Geweben unterschiedlich ausgeprägt ist. Säugetierzellen können, abgesehen von Nervenzellen, NAD nicht importieren bzw. aufnehmen. Folglich muss das Molekül aus unterschiedlichen Bestandteilen erst neu in der Zelle zusammengesetzt werden. Dieser de novo Pfad (‚de novo‘ lat. für „von neuem“) wird ausgehend von der essentiellen Aminosäure Tryptophan oder von anderen Formen von Vitamin-B3 beschritten.
Um den NAD-Spiegel zellintern zu erhalten, wird es hauptsächlich „recycelt“ über den sogenannten salvage pathway. „salvage“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt so viel wie „bergen“ oder „retten“. Der Großteil von Nikotinamid Adenin Dinukleotid wird also recycelt und nicht neu hergestellt. Unser Körper ist unserer Gesellschaft da schon einiges voraus. Es gibt dann auch noch einen dritten Pfad das Molekül zu erzeugen. Im „Preiss-Handler pathway“ bildet Niacin den Ausgangsstoff. In der folgenden Grafik sind die erwähnten Stoffwechselwege nochmals übersichtlich dargestellt.
NAMPT als Schlüssel
In der Herstellung von NAD gibt es einen geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Das bedeutet, dass die Synthese großteils in Abhängigkeit von einem Enzym abläuft. Ist genug von dem Enzym da kann sehr viel vom Molekül produziert werden – fehlt das Enzym, dann sistiert die Produktion, oder wird zumindest eingeschränkt. Das Schlüsselenzym trägt den Namen NAMPT und unterstützt den ersten Schritt im Recyclingpfad, wo Nikotinamid (Nam) in Nikotinamid Mononukleotid (NMN) umgewandelt wird. Die NAMPT-Menge ist hochdynamisch – kann sich also sehr rasch an den sich ändernden NAD-Bedarf in der Zelle anpassen. Zu diesen ändernden Bedingungen zählt auch Zellstress, der durch DNA-Schäden oder Hunger ausgelöst wird.
Ausblick
Wir kennen nun die Vergangenheit von Nikotinamin Adenin Dinukleotid, können es von NAD+/NADH abgrenzen und haben gesehen, wie es im Körper verstoffwechselt wird. In Teil 2 machen wir in der Gegenwart weiter, wenn wir uns anschauen, was das Molekül konkret im Körper macht. Ebenfalls werfen wir einen Blick in die Zukunft. Was passiert mit dem NAD-Spiegel über die Zeit hinweg? Was hat diese Änderung für Folgen? Spannende Fragen, spannende Antworten! Schon mal vorweg: Das Level nimmt mit dem Alter ab und die Folgen sind keine guten. Es gibt aber Hoffnung!
Rajman, L., Chwalek, K., & Sinclair, D. A. (2018). Therapeutic potential of NAD-boosting molecules: the in vivo evidence. Cell metabolism, 27(3), 529-547.
https://doi.org/10.1016/j.cmet.2018.02.011
Harden, A., & Young, W. J. (1906). The alcoholic ferment of yeast-juice. Proceedings of the Royal Society of London. Series B, Containing Papers of a Biological Character, 77(519), 405-420.
https://doi.org/10.1098/rspb.1906.0029
Warburg, O., & Christian, W. (1936). Pyridin, der wasserstoffübertragende Bestandteil von Gärungsfermenten. Helvetica Chimica Acta, 19(1), E79-E88.
https://doi.org/10.1002/hlca.193601901199
Chini, C. C., Tarragó, M. G., & Chini, E. N. (2017). NAD and the aging process: Role in life, death and everything in between. Molecular and cellular endocrinology, 455, 62-74.
https://doi.org/10.1016/j.mce.2016.11.003