Quercetin ist ein zunehmend bekannter Vertreter der Gruppe der Polyphenole und Flavonoide, die als Naturfarbstoffe insbesondere durch ihre hellgelbe Farbe gekennzeichnet sind (vom lat. flavus; gelb). Flavonoide sind biologisch aktive Pflanzenverbindungen, die beispielsweise antioxidative und entzündungshemmende Effekte im Menschen haben. Der Körper kann Quercetin allerdings nicht selbst bilden und nimmt es daher über Nahrungsmittel auf. Eine normale westliche Ernährung enthält ungefähr 15 mg bis 40 mg Quercetin täglich.
Vorkommen von Quercetin in Lebensmitteln
Der Name Quercetin leitet sich vom lateinischen Wort Quercētum ab, was so viel wie Eichenwald bedeutet und die pflanzliche Herkunft unterstreicht. Größere Mengen des Moleküls enthalten beispielsweise Kapern (234 mg pro 100 g) und Zwiebeln (11-33 mg pro 100 g), Äpfel und Beeren (beide 2-5 mg pro 100 g), sowie verschiedene Tees (Schwarztee 2 mg pro 100 g). Quercetin sammelt sich dabei hauptsächlich in den äußeren Pflanzenteilen an. Beim Apfel entsprechend in der Schale.
Quercetin in Wissenschaft und Forschung
Das Molekül ist seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es gemeinsam mit anderen Flavonoiden als Vitamin P zusammengefasst. Eine Bezeichnung, die gelegentlich immer noch auftaucht, obwohl sie unzutreffend ist. Trotz der langen Bekanntheit gibt es bis dato nur wenige Studien, in denen Wirkungen am Menschen untersucht wurden. Im Wesentlichen sind wir hier also immer noch auf Laboruntersuchungen oder Studien am Tiermodell angewiesen. Allerdings besteht die Hoffnung, dass sich dies in Kürze ändern wird, denn im Rahmen der Longevity-Forschung steht das Molekül, ob des möglichen senolytischen Effekts, zunehmend im Rampenlicht. Senolytisch bedeutet in diesem Fall, dass Quercetin deinem Körper hilft, alte Zellen zu entsorgen, die sich nicht mehr teilen, aber auch noch nicht ganz tot sind. Dieser Zwischenzustand hat diesen Zellen den Spitznamen „Zombiezellen“ eingebracht. Wissenschaftlich korrekt bezeichnet man diese Zombies als seneszente Zellen.
Effekte von Quercetin im Organismus
Auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen werden Quercetin antioxidative und entzündungshemmende Effekte zugeschrieben. Zusätzlich blockiert Quercetin die Ausschüttung von Histamin in den Zellen. Kurz zur Erinnerung: Histamin ist eine der körpereigenen Antworten auf Stress und der Übeltäter für den lästigen Juckreiz. Durch diese Hemmung wirkt Quercetin antiallergisch bei Asthma und Schnupfen oder auch bei Gelenksschmerzen. Außerdem hemmt Quercetin, ebenso wie Apigenin, natürlicherweise CD38. Die Blockierung von CD38 bewirkt einen Anstieg von NAD+, einem Schlüsselmolekül im Energiestoffwechsel unserer Zellen.
Mehr zum Thema NAD+ und CD38 erfährst du hier.
Über ein Enzym, mit dem komplizierten Namen AMPK, wird durch Quercetin ein molekularer Signalweg aktiviert, welcher gewichtsreduzierende und antidiabetische Wirkungen verspricht. AMPK zählt gemeinsam mit mTOR, den Sirtuinen und NF-kB zu den vier Langlebigkeitspfaden
Hier geht’s zum Artikel über die vier Langlebigkeitspfade.
Was ist aber mit der Lebensverlängerung? Ein denkbarer Erklärungsversuch ist die Stimulation von Proteasomen. Diese werden auch als Müllhalden der Zelle bezeichnet und fördern den Abbau fehlerhafter Proteinstrukturen, welche im Alter deutlich zunehmen. Man könnte es als eine Art zelluläre Qualitätskontrolle betrachten. Besonders vielversprechend ist dennoch ein anderer Effekt: die Senolyse.
Zelluläre Seneszenz
Der Begriff Senolyse setzt sich aus den beiden Wörtern Seneszenz und Lyse zusammen. Während man unter Lyse die Auflösung oder den Zerfall versteht, verrät uns der erste Wortteil, wovon genau die Rede ist. Seneszenz (vom lat. senescere; altern) spielt als Endstrecke von dutzenden Prozessen im Körper eine bedeutende Rolle.
Zelluläre Seneszenz bezeichnet einen stabilen Stillstand des Zellzyklus. Menschliche Zellen können nur eine limitierte Anzahl von Zellteilungen vollbringen, bevor sie plötzlich stillstehen und altern. Was heute gängig ist, war einst bahnbrechend. Vor Jahrzehnten glaubte die Wissenschaft nämlich, dass alle Zellen unsterblich sind. Heute wissen wir, dass vor allem Krebszellen dieses Merkmal besitzen.
Das Phänomen der Teilungsobergrenze heißt replikative Seneszenz, oder nach seinem Entdecker: Hayflick-Limit. Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl an seneszenten Zellen stetig zu, da zu viele dieser ruhenden Zellen erzeugt und andererseits zu wenige abgebaut werden. Wenn du mehr darüber erfahren willst, dann ließ dir gerne unseren Artikel zu den „Zombiezellen“ durch.
Quercetin als trojanisches Pferd
Dieser Ruhezustand klingt erstmal harmlos und wenig besorgniserregend. Allerdings können seneszente Zellen umliegende gesunde Zellen „anstecken“ und sie damit vorzeitig pensionieren. Verantwortlich dafür sind gewisse Stoffe, die von gealterten Zellen produziert und unter dem Begriff „Sekretom“ subsummiert werden. Gealterte Zellen wehren sich außerdem gegen die Apoptose, den natürlichen Zelltod, durch Aktivierung überlebensfördernder Faktoren und Hemmung selbst-zerstörender Signale.
Senolytisch wirksame Stoffe wie Quercetin werden am Schutzschild vorbei in die Zelle hineingeschmuggelt und können dort von innen den Abwehrschirm abschalten. Dies geschieht über die Blockierung eines Enzyms namens PI3-Kinase. Somit wird die überlebensfördernde Kette unterbrochen und die seneszente Zelle kann kontrolliert absterben und Platz für Neue machen.
Ergebnisse erster Laborstudien sind vielversprechend und lassen in vielen wissenschaftlichen Augen einen Hoffnungsschimmer aufflackern. Es fehlen jedoch noch große Studien am Menschen, um die Resultate zu bestätigen und weitere Aussagen zu treffen.
Wie viel Quercetin ist in Lebensmitteln enthalten?
Der Gehalt an Quercetin in der Nahrung ist sehr unterschiedlich. Wir haben dir in der Tabelle die Lebensmittel mit den höchsten Quercetin Konzentrationen aufgelistet. Dazu muss man jedoch sagen, dass es sich hierbei um Mittelwerte handelt. Je nach Anbausaison können diese Werte stark schwanken. Eine ausführliche Auflistung von mehreren hundert Lebensmittel findest du hier.
Lebensmittel | Gehalt an Quercetin in mg pro 100g |
Kapern | 233,84 |
Dill | 55,15 |
Oregano | 42,0 |
Zwiebeln | 24,3 |
Äpfel | 19,36 |
Frühlingszwiebeln | 12,6 |
Blaubeeren | 7,67 |
Schwarztee | 2,19 |
Wie viel Quercetin nehmen wir über die Nahrung auf?
Bevor wir zu den Dosierungen aus den Studien kommen, lass uns noch einen kurzen Blick auf die natürliche Quercetin Aufnahme werfen. In etwa 70-80% aller Flavonoide, die wir mit der Nahrung aufnehmen, befindet sich eine Form von Quercetin. Dieses Molekül kommt in verschiedenen Konfigurationen in der Natur vor, meist in der Verbindung mit unterschiedlichen Zuckermolekülen. Diese „verzuckerte“ Form, wird von unserem Körper allerdings schlechter aufgenommen, da Quercetin ein fettlösliches Molekül ist.
In dieser japanischen Studie wurde genau gemessen, wie viel Quercetin die Menschen im Sommer bzw. im Winter zu sich genommen haben. Das Ergebnis: In etwa 15,5-16,2mg Quercetin pro Tag.
Welche Dosierung von Quercetin ist zu empfehlen?
Vergleichen wir das mit den Studien: Die meisten Untersuchungen fanden (bis jetzt) an Tieren statt, z.B. an Mäusen wurde Quercetin intensiv beforscht, da man sich Effekte gegen die Demenz verspricht. Die Dosierungen schwanken dabei zwischen 5mg pro kg Körpergewicht und 100mg pro kg Körpergewicht. Als sicher wurde in Studien eine Menge von 1000 mg Quercetin pro Tag beim Menschen befunden.
In dieser Studie bekamen die Mäuse 100mg Quercetin pro kg Körpergewicht für 8 Tage und die Wissenschaftler stellten fest, dass dadurch die Mitochondrien im Gehirn wieder besser funktionierten.
Bei Menschen wurde Quercetin bei Patienten in einem frühen Alzheimer Stadium getestet. Sie bekamen 80mg Quercetin für 4 Wochen täglich. In dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass die Versuchspersonen nach der Quercetin Einnahme eine verbesserte Erinnerungsleistung hatten.
Quercetin und seine Rolle bei der allergischen Reaktion
Um es kurz zu fassen, Quercetin kann hilfreich bei der Symptombekämpfung und der Prophylaxe von Allergien sein. Wie genau, dass erklären wir die im Folgenden.
Was ist eine Allergie?
Als allgemeine Definition, kann man eine Allergie als eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf einen harmlosen Stoff bezeichnen. Unser Immunsystem ist ein wahres Wunderwerk mit ganz verschiedenen Akteuren, die uns tagein tagaus vor krankmachenden Erregern beschützen. Manchmal kann es aber dazu kommen, dass wir zu sensibel auf eigentlich harmlose Stoffe reagieren. Eine Erdnuss zum Beispiel. Diese ist grundsätzlich für den Körper ungefährlich.
Bei manchen Menschen sieht das Immunsystem aber fälschlicherweise eine Gefahr in der Erdnuss und in der Folge wird volle Alarmbereitschaft ausgerufen. Immunzellen werden aus allen Teilen des Körpers mobilisiert, um den vermeidlichen Eindringlich den Gar auszumachen. In diesem fast schon blinden Versuch den Eindringling (die Erdnuss) zu bekämpfen, kommt es zu einer übermäßigen Reaktion. Im schlimmsten Fall können die Atemwege anschwellen, was eine Allergie lebensbedrohlich macht.
Glücklicherweise sind die meisten Allergien eher lästig als lebensbedrohlich. Eine laufende Nase, juckende Haut oder brennende Augen sind die häufigsten Symptome.
Quercetin beruhigt das Immunsystem
Wie kann nun Quercetin bei einer Allergie helfen? Vereinfacht heruntergebrochen, dämpft Quercetin gewisse Signalmoleküle, wie das Histamin und beruhigt unter anderem Mastzellen, die an der Immunreaktion beteiligt sind. Das Immunsystem wird also davor bewahrt über zu reagieren.
Interessanterweise fanden die Forscher einen Zusammenhang zwischen dem Konsum Quercetin haltiger Äpfel und der Entwicklung eines allergischen Asthmas. In großen Kohortenstudien mit über 13.000 Menschen konnte gezeigt werden, dass das Risiko eines allergischen Asthmas geringer ist, je mehr Äpfel die Menschen aßen. Die Forscher vermuten als Ursache dahinter Flavonoide, insbesondere Quercetin.
Fazit zu Quercetin
Quercetin trägt zurecht seinen Namen als „König der Flavonoide“. Seine positiven Effekte konnte dieses Molekül bereits bei vielen Tier- und Zellstudien unter Beweis stellen und auch beim Menschen sind die ersten Ergebnisse hoffnungsvoll. Es bleibt noch abzuwarten, in welchem Umfang Quercetin eingesetzt werden kann, aber gerade seine senolytischen Eigenschaften, machen Quercetin zu einem spannenden Kandidaten für die Longevity-Forschung. Und auch sonst hat der sekundäre Pflanzenstoff allerhand nützliche Effekte für den Alltag.
Literatur
- Hickson, L. J., Langhi Prata, L., et al. (2019). Senolytics decrease senescent cells in humans: Preliminary report from a clinical trial of * plus Quercetin in individuals with diabetic kidney disease. EBioMedicine, 47, 446–456. Link
- Kirkland, J. L., & Tchkonia, T. (2020). Senolytic drugs: from discovery to translation. Journal of internal medicine, 288(5), 518–536. Link
- Salehi, B., Machin, L., Monzote, L., et al. . (2020). Therapeutic Potential of Quercetin: New Insights and Perspectives for Human Health. ACS omega, 5(20), 11849–11872. Link
- Bhagwat, S., Haytowitz, D. B., & Holden, J. M. (2014). USDA database for the flavonoid content of selected foods, Release 3.1. US Department of Agriculture: Beltsville, MD, USA.
- Escande, C., Nin, V., Price, N. L., et al. (2013). Flavonoid apigenin is an inhibitor of the NAD+ ase CD38: implications for cellular NAD+ metabolism, protein acetylation, and treatment of metabolic syndrome. Diabetes, 62(4), 1084–1093. Link
- Deepika, and Pawan Kumar Maurya. “Health Benefits of Quercetin in Age-Related Diseases.” Molecules (Basel, Switzerland) vol. 27,8 2498. 13 Apr. 2022, Link
- Mlcek, Jiri et al. “Quercetin and Its Anti-Allergic Immune Response.” Molecules (Basel, Switzerland) vol. 21,5 623. 12 May. 2016, Link
- Nishimuro, Haruno et al. “Estimated daily intake and seasonal food sources of quercetin in Japan.” Nutrients vol. 7,4 2345-58. 2 Apr. 2015, Link
- Li, Yao et al. “Quercetin, Inflammation and Immunity.” Nutrients vol. 8,3 167. 15 Mar. 2016, Link
- Babaei, Fatemeh et al. “Quercetin in Food: Possible Mechanisms of Its Effect on Memory.” Journal of food science vol. 83,9 (2018): 2280-2287. Link
- Nakagawa, Toshiyuki et al. “Improvement of memory recall by quercetin in rodent contextual fear conditioning and human early-stage Alzheimer’s disease patients.” Neuroreport vol. 27,9 (2016): 671-6. Link
Grafiken
Die Grafiken wurden unter Lizenz von Shutterstock.com erworben und dementsprechend gekennzeichnet.