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Was ist Betain?

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Schon seit langer Zeit erobern Helden und Schurken unsere Herzen. Sowohl in der Welt der Comics als auch im Fernsehen besiegen sie mit Hilfe unglaublicher Kräfte jede Gefahr und retten dabei unzählige Leben. Aber was wären unsere Helden ohne ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten? Stellen wir uns nur vor, Superman könnte nicht fliegen oder The Flash nicht unschlagbar schnell laufen … Besonders verlockend ist die Vorstellung, man selbst könne solche Superkräfte bekommen –  so wie Asterix und Obelix, denen ein Schluck Zaubertrank ungeahnte Stärken verleiht. Leider fehlt uns aber jegliche Spur dieser magischen Tränke. Trotzdem verschafft uns eine weitere Zeichentrickfigur einen Hoffnungsschimmer: Popeye the sailor. Nachdem er büchsenweise Spinat verschlingt, erlangt Popeye beispiellose Kräfte, die er für etliche Prügeleien braucht. Ob an der Vorgehensweise unseres Zeichentrickhelden etwas dran ist, kann man mit dem Molekül Betain erklären. Vielleicht haben wir unseren Zaubertrank bereits gefunden, ohne überhaupt mit der Suche begonnen zu haben?

„Spinat macht stark“ – Wahrheit oder Lüge?

Wenn man sich an die Kindheit zurückerinnert und überlegt, wie viele Listen und Erziehungstricks Eltern zu unserem Wohle verwendet haben. Vor allem bei eher unbeliebten Speisen wie dem Spinat mussten sie wohl ganz tief in die Trickkiste greifen. Doch Popeyes Vorliebe für Spinat entstammt nicht einer Lügengeschichte. Sie ist auf die seinerzeit aufkommende Ansicht zurückzuführen, dieses Gemüse wäre aufgrund seines hohen Eisengehalts ein ideales Stärkungsmittel. Dieser Eisenmythos erwies sich leider nur als halb wahr, da sich lediglich im getrockneten Spinat eine große Menge Eisen befindet. Im frischen Spinat hingegen ist der Anteil aufgrund des hohen Wassergehalts um ein Zehntel kleiner.

Unbenanntes Design

Trotz dieses Missverständnisses wurden über die Zeit weitere kräftigende Inhaltsstoffe entdeckt. Aktuellen Studien zufolge sind im Spinat vorhandene Nitrate und Steroide für ein erhöhtes Muskelwachstum verantwortlich. Zusätzlich dazu bildet Spinat mit ungefähr 550 mg pro 100 g die größte natürliche Quelle für den multifunktionellen Nährstoff Betain. Das entspricht immerhin 0,55 % der Gesamtmenge. Seinen Namen verdankt Betain allerdings der Roten Rübe oder Bete, die ebenso einen hohen Anteil der Substanz enthält. Schön und gut – aber wie macht uns Betain jetzt stark?

Betain ist ein Abkömmling der Aminosäure Glycin mit vitamin-ähnlichen Wirkungen und Eigenschaften. Die wichtigsten molekularen Mechanismen sind seine Funktion als Methylgruppen-Donator und Osmolyt. Bevor sich nun die Lippen für eine Frage verformen und Fragezeichen über den Köpfen schweben folgt schon die Antwort:

Gesundheitsfördernde Wirkung von Betain (TMG) – Was ist ein Methylgruppendonator?

Wie bereits erwähnt ist Betain eng verwandt mit der Aminosäure Glycin. Das wird umso deutlicher, wenn man sich einen weiteren Namen für Betain vor Augen führt: Trimethylglycin (TMG). Diese Bezeichnung verrät obendrein, dass Betain drei (tri-) Methylgruppen enthält. Eine Methylgruppe ist die einfachste organische Anordnung von einem Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatomen in der Chemie. Diese Verbindung stellt jedoch keine eigenständige Substanz dar, sondern bildet lediglich einen Teil eines größeren Moleküls, in unserem Fall von Betain.

Man kann diese Methylgruppe mit einer Mütze vergleichen. Diese Mützen können mit Hilfe eines Prozesses, der als „Methylierung“ bezeichnet wird, weitergegeben werden. Ein anderes Molekül setzt nun diese Mütze auf und ist kaum wieder zu erkennen. Das äußert sich in einer veränderten Aktivität bis hin zu einer komplett anderen Funktion des neuen Mützenträgers. Dieser Schritt bildet somit einen entscheidenden Part vieler physiologischer Abläufe im menschlichen Körper. Da Betain über mehrere solcher „Mützen“ verfügt und diese anderen Molekülen aufsetzen kann, wird Betain eben als Spender bzw. Donator (vom lat. donare „schenken“) von Methylgruppen bezeichnet. Zusätzlich hat Betain einen stark entzündungshemmenden Effekt, indem es einerseits pro-inflammatorische Transkriptionsfaktoren blockiert und andererseits den Hexenkessel der Zelle – das Inflammasom – zum Erlöschen bringt. Gut, das wär’s vorerst mal mit der Theorie – nun kommt die Praxis:

Betain TMG Homocystein Methionin

Homocystein und Betain

Homocystein ist ein physiologisches Zwischenprodukt, welches im normalen Stoffwechsel durch Demethylierung (Abgabe der Mütze) aus der essenziellen Aminosäure Methionin entsteht. Ein erhöhter Gehalt von Homocystein im Blutplasma gilt jedoch als unabhängiger Risikofaktor für Diabetes mellitus, Alzheimer und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da es durch Schädigung der Gefäßwände zu einer ausgeprägteren Entwicklung von Arteriosklerose führt. Genauso wie Homocystein in der Zelle aus Methionin gebildet wird, kann es durch das Aufsetzen der Methyl-Mütze wieder zurück zu Methionin umgewandelt werden. Auf diesem Weg schafft es Betain durch Spenden einer Methylgruppe den gefährlich erhöhten Homocystein-Spiegel im menschlichen Körper zu senken. Somit wirkt das Molekül schützend gegenüber arteriosklerotischen Krankheiten wie Schlaganfällen oder Herzinfarkten. In Kombination mit seinen entzündungshemmenden Effekten auf zellulärer Ebene konnte Betain, neben positiven metabolischen Ergebnissen für PatientInnen mit Diabetes mellitus II oder Lebererkrankungen, auch eine Verminderung des Krebs- und Demenzrisikos aufzeigen.

In einem weiteren klinischen Beispiel spielen NAD+-Vorläufermoleküle eine wichtige Rolle. Diese steigern im menschlichen Körper den NAD+-Spiegel und aktivieren die Produktion von Nicotinamid. Und nun kommt der Haken: Nicotinamid benötigt einen Methylierungsschritt damit es mit dem Urin ausgeschieden werden kann. Der Anstieg des Nicotinamid-Spiegels führt demnach zu vermehrten Methylierungsprozessen und erschöpft dabei die Mützen-Ressourcen. Eine Nahrungsergänzung von TMG könnte eben dieser Überlastung des Methylsystems entgegenwirken.

Diese unzähligen gesundheitsfördernden Wirkungen sind außergewöhnlich, nutzen aber unserem Seemann Popeye relativ wenig, wenn er sich in einer Rauferei durchsetzen muss. Kommen wir nun zu seiner Funktion als Osmolyt.

Leistungsfördernde Wirkung von Betain – Was ist ein Osmolyt?

Unter einem Osmolyt versteht man eine Substanz, die dabei hilft, den Flüssigkeitsspiegel innerhalb und außerhalb der Zellen im Gleichgewicht zu halten. Kippt das Flüssigkeitsverhältnis, so entsteht ein Ungleichgewicht, welches im schlimmsten Fall sogar zum Absterben von Zellen führen kann. Das geschieht sowohl durch ein starkes Schrumpfen – ähnlich wie ein Ballon, dem Luft entweicht – als auch durch ungebremstes Anschwellen der Zelle – wenn zu viel Luft den Ballon zum Platzen bringt. Betain, wenn es nicht in den Methylierungsstoffwechsel miteinbezogen wird, wird vom Gewebe aufgenommen und wirkt dort als organischer Osmolyt bei der Regulierung des Zellvolumens. Es schützt die Zelle indem es hilft den Wasser- und Energiehaushalt, sowie die Stoffwechselfunktion aufrechtzuerhalten und zu stabilisieren. In der Skelettmuskulatur trägt es zum Anschwellen der Muskelfasern bei, stimuliert folglich die Proteinsynthese und verbessert dessen Stabilität.

Zusätzlich fördert Betain die Biosynthese und Verfügbarkeit von Creatin, einer weiteren muskelaufbauenden Substanz, die unter Sportlern recht beliebt ist. Creatin fungiert einerseits als Energiespeichermolekül und unterstützt die Kraftkapazität der Zelle. Andererseits erfolgt wiederum die Anregung des Proteinaufbaus und die Bildung neuer Muskelzellen. Es wird vermutet, dass Betain durch die Kombination dieser anabolen, also aufbauenden, Prozesse das Muskelwachstum fördert.

Betain Muskelwachstum Wirkung

Und was sagen aktuelle Studien dazu? Ergebnisse einer rezenten wissenschaftlichen Analyse deuten darauf hin, dass Betain als Nahrungsergänzung einen wirksamen Ansatzpunkt zur Reduktion des Körperfetts darstellt. Ebenso zeigte eine qualitativ hochwertige Studie, dass eine regelmäßige Nahrungsergänzung von Betain den Körperbau, Armumfang und die Trainingskapazität im Bankdrücken verbesserte und tendenziell sogar die Kraft steigert. Insgesamt untermauern viele Studien sowohl die gesundheitsfördernden als auch die leistungsfördernden Effekte von Betain und somit seine Verwendung als Nahrungsergänzungsmittel. Also ein wahrlich Zaubertrank!

Superhelden ohne Superkräfte

Langsam lässt die Wirkung des Spinats bei unserem Seemann Popeye nach. Seine Muskeln schrumpfen wieder auf normale Größe zurück und seine immensen Kräfte verschwinden. Ähnlich ist es mit Betain – die gesundheits- und leistungsfördernden Effekte nehmen ab. Jedoch kann man durch regelmäßige Einnahme von Betain als Nahrungsergänzungsmittel den Wirkungsverlust vorbeugen und die Superkräfte behalten. Um noch einmal auf die anfangs gestellte Frage zurückzukommen: Was wäre ein Held ohne seine außergewöhnlichen Fähigkeiten? Die Antwort ist einfacher als erwartet – ein ganz gewöhnlicher Mensch wie wir! Das bedeutet aber nicht, dass niemand von uns ein Held sein kann. Schlussendlich zählt aber nicht, was wir sind. Vielmehr, das was wir tun, zeigt wer wir sind.

Literatur

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Wikipedia. Spinat. Aktualisiert am 14.02.2021; Zuletzt aufgerufen am 04.03.2021; Verfügbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Spinat


Bilder

Gemeinfreie Popeye-Zeichnung von Elzie Crisler Segar –  Popeye-Comicstrip vom 06.11.1936. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/e/e3/Popeye_Segar.gif


Mironov Vladimir/fotomironov.ru/Shutterstock

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