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Was ist Spermidin?

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Spermidin ist für die Chemie ein biogenes Amin. Für die Longevity-Forschung ist der Mikronährstoff ein Hoffnungsträger. Für uns kann Spermidin eine Möglichkeit sein, die gesunde Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen. Bei all den Dingen, die Spermidin sein kann ist es eines nicht: neu. Ganz im Gegenteil. Bereits 1870 isolierte Philipp Schreiner die Base Spermin aus der männlichen Samenflüssigkeit. Daher kommt auch der etwas skurril anmutende Name des Moleküls. Auch wenn man mittlerweile weiß, dass Spermidin völlig natürlich in jeder Zelle und in jedem Organismus vorkommt, hat sich der ursprüngliche Name gehalten.

Vorkommen von Spermidin

Unser Körper kann Spermidin in Maßen selbst erzeugen. Bei einer Beschleunigung des Stoffwechsels (z.B.: beim Sport) wird die Produktion von Spermidin im Körper angekurbelt. Umgekehrt nimmt die Konzentration bei einer Verlangsamung des Stoffwechsels ab. Die körpereigen produzierte Menge reicht allerdings nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Zellen sind hier auf die Nahrungszufuhr angewiesen. Spermidin kommt vor allem in Vollkorn bzw. Weizenkeimen, Sojabohnen (etwa 200 mg/kg) oder Hülsenfrüchten vor. Auch Pilze und gereifter Käse sind reich an dem Molekül. Zum Vergleich: der Spermidingehalt im namensgebenden menschlichen Ejakulat beläuft sich im Mittel auf 31 mg/L. Mehr darüber erfährst du in unserem Artikel zu Spermidin in Lebensmitteln.

Die gute Nachricht für alle, die jetzt gleich Schlimmes ahnen: Spermidin-hältige Nahrungsergänzungsmittel werden nicht aus menschlichem oder tierischem Sperma erzeugt, sondern aus Weizenkeimen oder Sojaprodukten. Spermidin auf Sojabasis ist im Gegensatz zur Weizenkeimherkunft auch noch glutenfrei.

Was macht Spermidin?

Die Wirkung, die dem körpereigenen Stoff zugeschrieben wird, ist nicht nur nützlich, sondern seit einigen Jahren sogar nobel-wichtig. 2016 erhielt nämlich der japanische Professor Dr. Yoshinori Ohsumi den Medizin-Nobelpreis für Grundlagenforschung zur Autophagie.

Was versteht man denn nun unter diesem Begriff, der seine Herkunft im alten Griechenland hat?

Autophagie – die zelleigene Müllabfuhr

Wenn Zellen eigene Bestandteile abbauen, dann nennt man das Autophagie oder Autophagozytose. Umgangssprachlich sprechen wir dabei gerne von Selbstverdauung. Damit nicht zu verwechseln ist die Phagozytose, wo Stoffe von außen in die Zelle aufgenommen („gefressen“) und verdaut werden.

Die Selbstverdauung ist vor allem deshalb wichtig, weil im Rahmen des Zellstoffwechsels ständig irgendwelche Nebenprodukte entstehen, die überflüssig oder beschädigt sind. Mit dem Prozess der Autophagie können diese nun entweder entsorgt oder noch besser, wiederverwendet werden. Es werden aber nicht bloß Stoffwechselprodukte autophagiert, sondern auch ganze Zellorganellen – beispielsweise die Mitochondrien. Sei es Schädigung, Alterung, oder auch geplanter Verlust – früher oder später kommen unsere Zellkraftwerke ins Stottern. Damit sich das nicht negativ auf die Performance der ganzen Zelle auswirkt, wird das Mitochondrium kurzerhand zellintern verdaut. Umso heilsamer ist die Tatsache, dass aus den Einzelteilen wieder neue Kraftwerke gebildet werden. Im Grunde ist Autophagie damit zelleigene Müllabfuhr und Recyclingstation in einem.

Der Prozess wird Prof. Ohsumi zufolge immer dann angeregt, wenn die Bedingungen für unsere Zellen ungünstig sind. Herrscht beispielsweise Stickstoff- oder Nahrungsmangel, dann ist das ein Startsignal für die Autophagie-Maschinerie. Aber auch dem besten System geht irgendwann die Luft aus. Mit dem Altern sinken sowohl die Spermidinkonzentration als auch die Aktivität unseres Selbstreinigungsprogramms.

Solche Funktionsstörungen, können Studien zufolge zu Stoffwechselerkrankungen, Infektionen oder auch neurodegenerativen Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson) führen. Bei Letzteren kommt es zu krankheitsrelevanten Ablagerungen von Proteinen in Zellen. Das unterstreicht einmal mehr, wie wichtig es ist, diese Fähigkeit zu erhalten.

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Fasten bringt‘s

Neben Spermidin, kann auch Fasten unser Recyclingsystem in Schwung bringen. Am gängigsten ist hier die Faustregel 16:8 – 16 Stunden fasten und 8 Stunden essen. Das Prinzip dahinter ist ebenso simpel wie logisch: wenn nichts neues nachkommt, wird altes wiederverwendet. Außerdem ist der Körper nicht ständig damit beschäftigt, neue Nahrung abzubauen, sondern kann die Zeit nützen, um aufzuräumen. Wenn wir nur im Alltag beim Putzen genauso konsequent wären.

Die Vorzüge des Fastens reichen von positiven Auswirkungen auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu gesteigerter Leistungsfähigkeit. In diesem Fall ist weniger also tatsächlich mehr. Das gilt leider nicht für die Wohnungsreinigung.

Zusammenfassung

Am Ende wollen wir nun nochmal den Nagel auf den Kopf treffen. Zusammenfassen lassen sich die Theorien rund um Spermidin so: Das Molekül soll unserem Körper einen Fastenzustand suggerieren und somit ohne echten Nahrungsverzicht die Vorteile des Fastens, also gesteigerte Autophagie, nutzbar machen. Eine Spermidin-reiche Ernährung wurde in Studien mit einer längeren Lebensdauer assoziiert.

Literatur:

Atiya Ali, Mohamed, et al. „Polyamines in foods: development of a food database.“ Food & nutrition research 55.1 (2011): 5572.

Madeo, Frank, et al. „Spermidine in health and disease.“ Science 359.6374 (2018).

Eisenberg, Tobias, et al. „Cardioprotection and lifespan extension by the natural polyamine spermidine.“ Nature medicine 22.12 (2016): 1428-1438.

Madeo, Frank, et al. „Spermidine: a physiological autophagy inducer acting as an anti-aging vitamin in humans?.“ Autophagy 15.1 (2019): 165-168.

Pietrocola, Federico, et al. „Caloric restriction mimetics enhance anticancer immunosurveillance.“ Cancer cell 30.1 (2016): 147-160.

Soda, Kuniyasu, et al. „Polyamine-rich food decreases age-associated pathology and mortality in aged mice.“ Experimental gerontology 44.11 (2009): 727-732.

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