Insulinresistenz ist nunmehr seit fast einem ganzen Jahrhundert ein zentrales Thema in der medizinischen Forschung. Im Folgenden lernst du, was Insulinresistenz ist, was es mit unserem Körper macht und wie du diesen krankheitsfördernden Prozess aufhalten und vielleicht sogar rückgängig machen kannst.
Disclaimer: Solltest du bereits einen diagnostizierten Diabetes haben und bereits unter medikamentöser Therapie stehen, dann besprich alle weiteren Schritte im Voraus mit deinem Arzt!
Zur Erinnerung: Insulin ist ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert wird und eine zentrale Rolle im Kohlehydrat- und Fettstoffwechsel spielt. Es sorgt dafür, dass unsere Zellen in erster Linie mehr Glukose und Fettsäuren aufnehmen. Außerdem hat es eine starke anabole (aufbauende) Wirkung.
Was ist Insulinresistenz?
Wenn Zellen oder Organe insulinresistenter werden, muss das Pankreas mehr und mehr Insulin produzieren, um unseren Zuckerstoffwechsel im Gleichgewicht zu halten – unser Insulinspiegel im Blut steigt (Hyperinsulinämie). Beim Blutzucker macht sich das erstmal nicht bemerkbar. Das passiert erst, wenn das System still und leise dekompensiert.
Insulinresistenz spielt eine zentrale Rolle in der Entstehung von Typ II Diabetes mellitus, nichtalkoholischer Fettleber (NAFLD), Atherosklerose und Morbus Alzheimer – um ein paar Beispiele zu nennen. Die gute Nachricht ist, dass Insulinresistenz im Frühstadium umkehrbar ist. Entsprechend lohnt es sich sehr hier präventiv tätig zu werden.
Folgende Werkzeuge stehen uns im Kampf gegen Insulinresistenz zur Verfügung:
- Medikamente
- Stress/Cortisol Management
- Guter Schlaf
- Sport/Bewegung
- Ernährung

1. Medikamente
Wenn ein erhöhter Nüchtern-Blutzucker bei der Routineuntersuchung beim Hausarzt festgestellt wird, wird meist „HbA1c“ – der sogenannte Langzeitzucker-Wert – nachgefordert. HbA1c spiegelt den Anteil unserer ‚gezuckerten‘ roten Blutkörperchen wider. Da diese ungefähr 3 Monate leben, kann sich der Arzt hiermit also einen Überblick über den Kohlehydratstoffwechsel der letzten 3 Monate machen. Die Normwerte für HbA1c variieren je nach Geschlecht, deshalb sind die folgenden Anmerkungen lediglich als Richtwerte zu verstehen. Ab Werten von etwa 5,5 % und höher befindet man sich in einer prädiabetischen Stoffwechsellage – noch nicht ganz Diabetes, aber eben nah dran. Bis 6,5% greift man im Regelfall noch nicht medikamentös ein, denn erst ab diesem Wert spricht man von einem manifesten Diabetes.
Als First-Line Therapie gilt die Lifestyle-Modifikation – ja richtig gelesen – bevor irgendwelche Arzneimittel zum Einsatz kommen, sollen Patienten erstmal ihren Lebensstil verbessern. Weniger Alkohol, weniger Zucker und mehr Bewegung. Wenn das nicht greift, wird mit Metformin (erhöht die Insulinsensitivität) begonnen. Werden unter dieser Therapie nur unzureichende Erfolge erzielt, kommen dann SGLT2-Hemmer (erhöhen die Glukoseausscheidung) und bei Übergewicht ggf. noch GLP-1 Rezeptoragonisten (machen satt und verstärken die Insulinproduktion) hinzu.
Anschließend erfolgt die Therapie mit Insulin, dem stärksten Antidiabetikum. Die stark fortgeschrittene Insulinresistenz wird mit einer noch höheren Dosis Insulin durchbrochen.
Trotz angepasster Medikation kann sich bei vielen Typ 2 Diabetikern irgendwann die Bauchspeicheldrüse erschöpfen, aufgrund der Dauerbelastung namens Insulinproduktion. War ursprünglich zu viel Insulin im Blut, ist nun das Gegenteil der Fall. In diesem Stadium hilft nur noch eine Insulintherapie. Das ist der einzige Fall, in dem eine Lifestyleänderung oder eine Therapie mit Insulinsensitizern (wie Metformin) alleine keinen wesentlichen Benefit mehr mit sich bringt.
Wichtige Randnotiz: Bei Typ 1 Diabetikern fehlt Insulin schon von Anfang an. Der Grund dafür sind autoimmune Prozesse, die über Jahre hinweg die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört. Entsprechend muss Insulin bereits von Beginn an ersetzt werden. Orale Antidiabetika sind vollkommen wirkungslos.

2. Stress/Cortisol Management
Wer hat heute schon Stress? Die meisten Menschen werden bei dieser Frage zustimmend die Hand heben. Wir leben in einer reizüberfluteten Welt, entsprechend zeigt sich das auch in unseren Cortisolspiegeln. Wird Cortisol ausgeschüttet, erhöht sich in der Folge auch der Blutzuckerspiegel – der Körper geht davon aus, dass wir aktuell mehr brauchen.
Cortisol ist ebenfalls ein körpereigenes Hormon, das auch als Stresshormon bekannt ist. Grundsätzlich stimmt das auch, aber so ganz ohne Cortisol und Stress geht es auch in Ruhe nicht. Es weckt uns morgens auf und sorgt dafür, dass unser Herz weiterschlägt. In den verschiedensten Situationen gibt es uns zudem den notwendigen Extra-Kick an Energie. Einen eigenen Artikel dazu gibt es bereits im Magazin!
Eine Kontrolle des Cortisolspiegels bedeutet also nicht vollständig ausschalten, sondern die natürliche Rhythmik einhalten. Morgens hoch, abends niedrig.
Tipps für das Management des Cortisolspiegels:
- Regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining mehrmals pro Woche (kurze Einheiten von maximal 60 Minuten, 3-5mal pro Woche)
- Atemübungen (Für 2 Minuten langsam durch die Nase ein- und durch den Mund wieder ausatmen)
- Morgens sollte der erste Blick nicht auf das Smartphone fallen, besser mindestens 1 Stunde warten
- Kaffee (erhöht Cortisolspiegel) nicht mehr nach 15 Uhr
- Spätestens 2 Stunden vor dem Schlafengehen die letzte Mahlzeit essen
- Smartphone mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen weglegen
- Auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Zufuhr von Omega-3 Fettsäuren und Magnesium achten
3. Guter ausreichender Schlaf
Wer hätte gedacht, dass Schlafmangel uns nicht nur müde macht, sondern auch das Risiko für metabolische Krankheiten drastisch erhöht? In Studien hat sich gezeigt, dass sich eine Schlafreduktion auf 4 Stunden pro Nacht für 2 Wochen negativ auf unsere Insulinspiegel und Glukoseverwertung auswirkt. Entsprechend war die Glukosetoleranz deutlich reduziert und die Cortisolspiegel waren signifikant erhöht. Wenn bereits eine so kurze Zeit so drastische Konsequenzen hat, was bringt dann ein chronischer Schlafmangel?
Magnesium wird en masse unter Schlafmangel ausgeschieden. Eine Supplementation könnte die negativen Effekte also zumindest ein bisschen eindämmen. Gleichzeitig reduziert Magnesium auch noch signifikant Stress und folgend unsere Cortisolspiegel.
4. Sport/Bewegung
Das Sport gut für unseren Blutzucker ist, kann sich wahrscheinlich jeder denken. Aber warum ist das eigentlich so? In erster Linie hängt das mit unserem körpereigenen Reservoir für Glukose zusammen. Ja richtig geraten – gemeint sind unsere Muskeln! Je größer die Muskelmasse, desto mehr Kapazitäten haben wir, um Glukose zu speichern und zu verwerten.
Krafttraining
Es gilt die Muskelmasse zu erhöhen. Hierfür müssen es nicht unbedingt freie Gewichte sein. Kabelzüge, Gummibänder oder das eigene Körpergewicht reichen anfangs vollkommen aus. Hauptsache man bewegt seinen Körper gegen einen Widerstand. Wir empfehlen eine Regelmäßigkeit von 2-3x pro Woche.
„Zone 2“ Cardiotraining
Was erstmal recht nichts-sagend klingt, meint Cardio-Training bei einer Herzfrequenz zwischen 130 und 140 Schlägen pro Minute. In diesem Bereich arbeiten die Mitochondrien bei den meisten Menschen mit der höchsten Effizienz. Das erhöht einen der bekanntesten Fitnessmarker – VO2max. In Studien hat sich bereits mehrfach gezeigt, dass selbst bei weniger als einer Stunde pro Woche, die Insulinresistenz signifikant reduziert werden kann. Wir empfehlen für den Anfang 30-45 Minuten Zone 2 Cardio pro Woche. Hier erfährst du mehr darüber, wie Sport unsere Langlebigkeit fördern kann.
Quellen: [6]

5. Ernährung
Insulinresistenz ist einfach gesagt eine Störung der Kohlenhydrat-Toleranz. Bei vorliegender Insulinresistenz, Prädiabetes sowie Diabetes, sollte erst einmal die Kohlenhydrataufnahme reduziert werden. Eine generelle Kalorienreduktion birgt häufig die Gefahr des Verlusts von Muskelmasse – Muskelmasse gilt gleichzeitig als das größte Reservoir für Glukose – die wollen wir also nicht reduzieren. Unter Umständen kann der Verlust von Muskelmasse die Situation sogar verschlimmern!
Bei einer Kalorienreduktion also immer auf eine Mindestzufuhr von 1g Protein pro Kilogramm achten – das reicht gerade so zum Muskelerhalt. Zum Abnehmen empfehlen wir etwa 1,5-2g Protein pro Kilogramm Körpergewicht.
Eine ketogene Diät kann in manchen Fällen auch sehr hilfreich sein, ist aber deutlich komplexer, bietet einige Fallstricke und würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hier findest du weitere Infos zum Thema fasten.
Es gibt auch noch die ein oder anderen natürlichen Moleküle, die in Studien einen positiven Effekt auf unsere Insulinsensitivität hatten. So reduzieren sie auch maßgeblich den Blutzucker-Spike nach einer Mahlzeit. Dazu gehören insbesondere Berberin und L-Carnosin.
Wie viele Kohlenhydrate sind zu viel?
Das ist hochindividuell und abhängig vom aktuellen Status der Insulinsresistenz. Wir empfehlen jedem, den es interessiert einmal für 2-4 Wochen einen Continuous Glucose Monitor (CGM) zu tragen. Das ist teilweise auch über den Hausarzt möglich!
Ein CGM ist ein kleiner Sensorchip den man sich im Normalfall per kurzer Nadel in den Oberarm sticht (keine Angst! Das tut kein bisschen weh und die Nadel bleibt nicht drinnen). Durch den Verbleib im subkutanen Fettgewebe, kann der Sensor unseren Blutzucker in Echtzeit messen. Sehen kann man das dann per App auf dem eigenen Smartphone. Um zu bestimmen wie viel Kohlenhydrate zu viel sind und welche Kohlenhydrate man meiden sollte, reicht dann schon ein kurzer Blick auf das Smartphone.
Tipp: Der Blutzucker sollte im besten Fall nicht mehr als 30 Punkte pro Mahlzeit steigen. Dann ist man auf dem besten Weg die eigenen Insulinspiegel langfristig zu reduzieren.
Ich hoffe dieser kleine Einblick in die Welt der Insulinresistenz und des Blutzuckermanagements hat dir gefallen. Du möchtest noch mehr zum Thema Insulin erfahren? Dann schau einmal hier vorbei: Insulinresistenz – die stille Epidemie.